Ob beten hilft?

Vor zehn Jahren wies in Amerika eine großangelegte Studie nach, dass ein Gebet, das man für einen unbekannten kranken Menschen spricht, keinerlei Auswirkung auf dessen Genesung hat. Die Studie war von konservativen christlichen Kreisen finanziert worden, die eigentlich ein anderes Ergebnis erhofft hatten!

Und heißt es nicht im Evangelium: Wenn ich bitte, wird mir gegeben, wenn ich anklopfe, wird mir aufgetan? Wer hat denn da jetzt recht: Die Studie oder die Bibel? Das Evangelium erzählt im Zusammenhang mit dieser Stelle das Gleichnis von einem Freund, der mitten in der Nacht vor der Türe steht. Selbstverständlich würden wir ihm die Türe öffnen, heißt es da, und sei es nur, weil er nervt. Ich selbst hatte mich einmal mitten in der Nacht zu Hause ausgesperrt. Ein Freund öffnete mir dann trotz der späten Stunde die Tür und ließ mich bei sich übernachten. Nur, weil ich ihn genervt habe? Und selbst wenn! Ich gebe zu: Sein Motiv war mir erst mal egal. Klar ist jedoch, dass ich damals nicht irgendwo klingelte, sondern bei jemandem, zu dem ich eine Beziehung hatte. Mir hat dieses Vertrauen auf die Freundschaft einen Ausweg gezeigt aus einer blöden Situation.
„Bittet, dann wird euch gegeben“ heißt doch zunächst einmal: Öffnet euer Herz, habt Vertrauen. Das fällt natürlich leichter, wenn man zuvor so etwas wie „Beziehungsarbeit“ geleistet hat. Ich wusste damals, wie und wo ich meinen Freund finden kann, kannte sein Haus von vielen Besuchen. Nicht anders ist es beim Gebet: Ohne Übung, ohne eigene Gebetskultur wird es schwer, sich mal eben schnell an den Strom der Zuwendung Gottes anzudocken. Mit Automatismus in der Art: Ich drücke auf den Knopf und dann passiert das, was ich mir gewünscht habe, hat das sowieso nichts zu tun. Wer Gott so instrumentalisieren will, verkennt seine wahre Größe.
Die Studie ließ damals Religionsskeptiker aufjubeln, betende Menschen aber ließen sich davon nicht beirren. Ich kann und will diesen Widerspruch nicht auflösen. Sicher ist: Das Gebet verändert den Betenden, das ist auch in der Psychologie völlig unbestritten. Diese Veränderung zum Guten macht die Welt an einer Stelle besser. Und wenn sich die Betenden dieser Welt zusammenschließen, kann es auch die Welt besser machen. Keiner kann mir erzählen, dass beispielsweise Friedensgebete keine Wirkung haben! Da genügt ein Blick in die jüngere deutsche Geschichte.
Letztlich ist Beten ganz leicht, wenn ich darauf vertraue, dass ich den Faden Gottes nur ergreifen muss, den er schon längst in meinem Leben gespannt hat.

Burkard Vogt
Gemeindereferent in der Bildungs- und Medienarbeit des Bistum Würzburg

Kreuzwort vom 20. September 2015

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