trotzdem feiern können

… war das Thema des Time-Out-Gottesdienstes. Es wollte so etwas wie der bewusste Rückblick auf die Belastungen der Corona-Zeit sein und stellte die Frage, was es denn zu feiern gibt. Inspiration war das Gleichnis vom barmherzigen Vater und die Frage, warum es den zweiten Sohn so schwer fällt, die Rückkehr seines „verlorenen“ Bruders zu feiern.

Dazu das Angedacht von Burkard Vogt:

So, und was jetzt? Würde ich, würdest du – würdet ihr mit rein gehen – mit rein gehen und trotzdem feiern? Ich kann die Verletzung des älteren Bruders verstehen. Der andere hat sich gegen die Familie gewandt, ihr den Rücken gekehrt. Diese Rückkehr feiern?

Das der jüngere Bruder vermutlich in Partylaune ist, ist nachvollziehbar. Er hat eine Katastrophe überlebt, er war am Ende und ihm wird ein neuer Anfang gegönnt – und das noch dazu völlig überraschend. Das hatte er gar nicht auf der Rechnung, als er sich auf den Weg nach Hause machte. 

Beim Älteren aber rührt sich der Trotz – und das ist eine starke Kraft (das wissen nicht nur Eltern von Kindern in der Trotzphase). Diese Kraft kann einem Energie geben für einen existentiellen Widerstand. Viktor Frankl spricht von der „Trotzmacht des Geistes“, die es beispielsweise Menschen ermöglicht hat, auch in Auschwitz zu überleben. Doch ist die Frage, wie ich diese Kraft nutzte:  Wende ich sie gegen den in meinen Augen viel zu gütigen Vater, der meinem Bruder gegenüber scheinbar viel Großzügiger ist als mir gegenüber? Oder richte ich sie auf meine eigene Kleinlichkeit? Kann ich sagen: Obwohl da noch einiges zu klären ist mit diesem Bruder kann ich doch auch feiern, weil der, der verloren war, wieder heimgekommen ist? Die Bibel beantwortet diese Frage nicht. Sie will vermutlich, dass jeder sie sich selbst beantwortet.

Vor drei Jahren hatten wir den ersten TO-Gottesdienst in der Corona-Zeit mit „Trotzdem JA zum Leben“ überschrieben. Wir hatten die Teilnehmer gebeten, auf den Grabplatten im Kreuzgang zu stehen, aber den Blick nicht nach unten und auf den Tod zu fixieren, sondern darüber hinaus zu schauen in den Himmel über dem Kreuzgang. Heute können wir sagen: Geschafft und nicht geschafft. Einer Krise folgt die nächste Krise und die nächste und die Gründe, lieber nicht zu feiern und stattdessen zu jammern hören nicht auf.

Deswegen unsere Einladung: Trotz-dem feiern – mit der ganzen Energie, die in dieser Art von Trotz liegt. Natürlich nicht wie Boris Johnson und seine Leute damals, die egoistisch die Solidarität mit ihren Mitbürgern aufkündigten, sondern im Bewusstsein, dass nicht alles heil ist und noch viel zu tun. Feiern kann helfen, alles, was wieder möglich ist, jedes Licht im Tunnel einer Krise, jedes Hoffnungszeichen, nicht wie selbstverständlich in der Alltäglichkeit untergehen zu lassen. Das können wir auch aus der Bibel lernen, die über ihre vielen 100 Seiten beides kennt: Krise und Abgrund und Rettung. Und was macht das Volk Israel nach so einer Erfahrung? Es singt dem Herrn ein Lied – trotz allem immer wieder.  

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